Ganze 25 Jahre lang, ein Vierteljahrhundert, wusste die Familie einer damals 35 Jahre alten Stuttgarterin nicht, wer diese Frau abends auf dem Heimweg ermordet hatte. Im Februar 2020 ermittelte die Kriminalpolizei plötzlich einen dringend Tatverdächtigen - eine erneute, moderne Untersuchung von DNA-Spuren hatte zu ihm geführt. Vor der Presse zeigte sich der Leiter der Kriminalpolizeidirektion erleichtert. Er sprach von den "herausragenden Ergebnissen der hartnäckigen Arbeit" seiner Kolleginnen und Kollegen einerseits im Zusammenspiel mit "modernen kriminaltechnischen Methoden" andererseits.
Eine Erleichterung, die David Iwaniuk nachvollziehen kann. Gleichzeitig weiß er als Strategic Account Director Public Safety Central Europe bei Fujitsu, dass es bei der Digitalisierung der Polizeiarbeit nicht nur um solch spektakuläre Fälle geht. Sondern darum, den Alltag der Bürger insgesamt sicherer zu machen - in strukturierter und ganzheitlicher Weise. Iwaniuk ist Experte für das Public Safety Ecosystem. Dieses System kann man sich wie einen Baukasten aus Software und Hardware, Consulting und Services vorstellen. Wie der Begriff "Ecosystem" zeigt, bindet Fujitsu neben eigenen Lösungen mehrere Partner und deren Know-how ein.
Konkret zielt das Public Safety Ecosystem auf einen datengetriebenen Strafverfolgungsprozess ab, der die herkömmlichen Abläufe in Polizei und Justiz ergänzt. Es geht zunächst um vier Schritte: Datensammlung, Daten-Management, Datenanalyse und Datenvisualisierung. "Die Ausbildung an den Polizeischulen verändert sich", beobachtet Iwaniuk. "Früher ging es um das Sichern von Fußspuren im Schnee. Heute zusätzlich um die Frage, wie man ins Darknet kommt und im digitalen Raum ermittelt." Künftige Cybercops werden in Kooperation mit Universitäten und Technischen Hochschulen bereits ausgebildet.
Foto: Fujitsu
Innenminister und Streifenpolizist an einem Tisch
Eines der Werkzeuge des Public Safety Ecosystem nennt sich zum Beispiel Smartpolice. Es unterstützt die Beweissicherung am Tatort über Smartphone oder Tablet. Digitale Beweise wie Bilder und Videos können von der Beweisaufnahme bis zum Gerichtsurteil rechts- und manipulationssicher bearbeitet, archiviert und zusammengestellt werden. Ein weiteres Tool namens Greenages verfügt über eine modular aufgebaute Analytics Engine und ermöglicht die KI-gestützte Mustererkennung für bestimmte Merkmale. Somit erleichtert das Tool Rasterfahndungen, Anomalieerkennung oder das Ahnden von Verkehrsverstößen.
Welche Teile des gesamten Baukastens die jeweilige Polizeidienststelle oder Justizbehörde braucht, klärt Fujitsu vorab in einem mehrstündigen Co-Creation Workshop. Dafür versammeln sich alle Stakeholder um einen Tisch - das kann vom Innenminister bis zum Streifenpolizisten reichen. "Es geht schließlich um Steuergelder", betont Iwaniuk, "also erstellen wir einen Proof of Value, bevor neue Technologien für den Endanwender zum Einsatz kommen." In der Praxis zeigt sich etwa, dass das Schlagwort von der mobilen IT nirgendwo so zutreffend ist wie hier: Ein bestimmtes Laptop-Modell war den Beamten etwa im täglichen Einsatz schlicht zu sperrig - die Geräte mussten bei einer Wohnungsdurchsuchung unter Umständen bis in die oberen Stockwerke getragen werden.
Fujitsu Public Safety Ecosystem: das Leistungsportfolio im Überlick |
Das ist aber nur der offen sichtbare Teil der Herausforderung. Der andere Teil zeigt sich erst beim Blick auf die IT-Landschaften. Einerseits gibt es zwar Standardanwendungen bei Polizei und Justiz. Einerseits gibt es zwar Standardanwendungen bei Polizei und Justiz. Andererseits sind eine Vielzahl an historisch gewachsenen Fachverfahren vorzufinden, die sich in der Pflege und Weiterentwicklung schwierig gestalten. Und je nach Bundesland gestaltet sich der Wildwuchs unterschiedlich. "Hier müssen wir uns als gesamtheitlicher Digitalisierungspartner mit unseren Lösungen eben integrieren", sagt Iwaniuk ganz sachlich, "Wir schaffen keine neuen Silos, sondern unterstützen da, wo diese Fachverfahren an Ihre Grenzen stoßen."
Iwaniuk weiß außerdem von Diskussionen über das Management der Gewaltenteilung. Natürlich soll letztere nicht angetastet werden; die Justiz darf nicht auf das Polizeinetz zugreifen. "Aber das Bewusstsein für eine IT-Brücke wächst", beobachtet Iwaniuk. Denn der Datenaustausch muss schneller und effektiver funktionieren.
"Explainable KI" zum Schutz von Bürgern - und Polizisten selbst
Der Einsatz von KI erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, das ist dem Experten bewusst. Bei dem Tool ManageNow for Data Analytics etwa geht es um Datenauswertungen in nahezu Echtzeit um vorausschauende Polizeiarbeit und das Experimentieren mit Machine Learning. Doch immer wieder gerät Künstliche Intelligenz in den Verdacht, voreingenommene Algorithmen zu verwenden - was bestimmte Personengruppen oder Sachverhalte diskriminieren kann. "Deshalb geht es bei KI in Polizei und Justiz immer um 'explainable AI'", sagt Iwaniuk. "Es ist extrem wichtig, dass wir nachvollziehen können, wie die KI zu ihren Ergebnissen kommt." Man müsse KI verstehen, um ihren "Blackbox-Charakter aufzubrechen" und diese Technologien souverän einzusetzen.
High-Tech, so das Plädoyer des Experten, schützt grundsätzlich ja nicht nur die Opfer. Sie schützt auch die Polizisten selbst. So lassen sich etwa Datenbank- oder Dokumentzugriffe durch Fujitsus Palm Secure-Lösungen sichern. Dieses Authentifizierungssystem identifiziert Menschen anhand des Musters der Handflächenvenen. Fragen um unklare Datenabfragen an Polizeirechnern sind damit ausgeschlossen.
Iwaniuk begleitet die technologische Entwicklung von Justiz und Polizeiarbeit schon seit Jahren. Für die Zukunft zeigt er sich optimistisch. Eines allerdings hält er für ausgeschlossen: dass "Kommissar KI" mehr wird als eine bloße Unterstützung für den Menschen. Er sagt: "Empathie und Bauchgefühl sind ja genau das, was die menschliche Intelligenz heraushebt. Der ausgebildete und erfahrene Polizist bleibt unverzichtbar!"
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Breakoutsession vom Online-Event ActivateNow: "Public Safety Ecosystem - Lösungen zur Bekämpfung von Kriminalität in einer zunehmend digitalen Welt".