Sie seien mit der Anpassungsfähigkeit ihres Unternehmens „teils oder ganz unzufrieden“. Das erklären knapp sieben von zehn Entscheidern in einer aktuellen Studie der Fraunhofer-Gesellschaft zum Thema Digitale Transformation. Dabei verdeutlichen gerade die letzten Monate die Dringlichkeit der Digitalisierung. Jörn Nitschmann, Head of Manufacturing and Automotive Sector Central Europe bei Fujitsu, bestätigt: „COVID-19 hat uns gezeigt, dass sich die Welt der Fertigungsindustrie grundlegend verändern muss.“
Nitschmann skizzierte im Rahmen des Fujitsu Online-Kunden-Events „Activate Now“, wie Entscheider die Transformation angehen können. Er konkretisierte den Change zunächst anhand dreier Use Cases: Home Office, Qualitätssicherung und Fertigungssysteme. Im Einzelnen:
• Home Office: Noch verschieben vor allem klassische Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter ihre Tätigkeit vom traditionellen Büro an den heimischen Schreibtisch. Doch dieser Trend wird Tätige in der Produktion einbeziehen. „Dazu tragen die fortschreitende Automatisierung und Remote- Steuerung von immer mehr Produktionsprozessen bei“, erklärt Nitschmann. „Die Digitalisierung und die flächendeckende Nutzung von Daten spielen dabei eine zentrale Rolle. Daten sind die Basis für die Schaffung von Transparenz, zur Simulation von Entscheidungen und final zur Automatisierung ganzer Prozesse mithilfe von Künstlicher Intelligenz.“
• Qualitätssicherung: Bilderkennungssysteme auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) können Fehler in jeder Phase des Herstellungsprozesses genauer erkennen als bisherige Systeme. Das reduziert die Nacharbeit. „Ebenfalls lassen sich durch eine automatisierte Klassifikation der Fehler sowie eine intelligente Auswertung der Daten mögliche Fehler im Prozess schnell und automatisiert erkennen“, erläutert Nitschmann. Die Qualität des gesamten Produktionsprozesses steigt. Und: Wer Mitarbeiter von manuellen Inspektionen entlastet, ermöglicht ihnen, ihre Expertise in die Verbesserung des Prozesses einzubringen.
• Fertigungssysteme: Fertigung wird immer komplexer. Nicht jeder Beschäftigte kann mithalten. Gleichzeitig erwarten die Kunden immer mehr Vielfalt und Flexibilität, um wiederum ihren Kunden individuelle Angebote machen zu können. Moderne Werkzeuge und Systeme müssen den Menschen in der Maschinenwelt unterstützen.
Wie sich Arbeit, Verkehr, Menschen und Gesellschaft in Zukunft genau darstellen werden, fällt unter das Stichwort „Reimagine“. Sicher ist: der CEO eines Unternehmens wird immer auch Chief Transformation Officer sein. Und: Unternehmen brauchen bei ihrer digitalen Transformation Partner, Stichwort Ecosystem und Plattform-Industrie. „Hier agiert der CEO als Stratege. Die Fachbereiche bringen das Inhaltliche ein, sie sind quasi die Product Owner“, erklärt Nitschmann. IT-Entscheidern gibt er vier Tipps mit auf den Weg:
1. Neues Rollenverständnis entwickeln: Der CIO verantwortet die Produkte und Services. Er sorgt für flexible Infrastrukturen, die skalieren. Ziel ist, die Grundlagen für den schnellen Wandel zu schaffen, auf den das Unternehmen reagieren muss. Außerdem bringt er die richtigen Startups für Innovationspartnerschaften ein. „Bei Fujitsu sagt man uns, geht raus und holt Euch die jungen Wilden“, fügt Nitschmanns Kollege Tobias Geber-Jauch, CTO Automotive & Manufacturing, hinzu.
2. Neues Prozessverständnis entwickeln: Das berührt die Prozesse und die gesamte traditionelle Unternehmensstruktur. Nicht umsonst nutzen immer mehr Entscheider agile Methoden. IT-Chefs müssen die technologischen Möglichkeiten für Sprints bereitstellen. „Wenn ich nicht agil bin, verlieren die Startups das Interesse an der Zusammenarbeit mit mir“, betont Geber-Jauch.
„IT muss funktionieren wie Legosteine“
3. Alle Aspekte von Datenschutz einbeziehen: Regularien wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sichern die rechtliche Seite ab. Hinzu kommen branchenspezifische Vorgaben. In Sachen Automotive gilt zum Beispiel: Jeder Player im Bereich Konnektivität muss sich an das Weltforum für die Harmonisierung von Fahrzeugvorschriften (WP.29) der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) halten. Mindestens ebenso wichtig ist aber „das Emotionale“, wie Geber-Jauch sagt. Lange gab es hier einen Bruch zwischen älteren und jüngeren Nutzern. Konkret: Jüngere Anwender waren deutlich aufgeschlossener. Hier wirkt Covid-19 als Katalysator: auch Ältere gewöhnen sich an kontaktloses Bezahlen und Bestellen im Internet, so die Erfahrung beider Experten.
4. Wo anfangen? Die Antwort darauf lässt sich in ein Wort komprimieren: Standards. „Je weniger selbstentwickelte Altsysteme ich habe, umso leichter gelingt die Integration in ein Ecosystem“, erklärt Nitschmann. Und das fängt bei den Daten an. „Jeder CIO muss sich fragen, ob seine Datenpools richtig erkannt und konsolidiert sind“, führt der Experte aus. „Die Daten müssen fähig sein, über standardisierte Schnittstellen in die Cloud zu gelangen.“ Sein Kollege Geber-Jauch ergänzt: „CIOs müssen die IT-Architekturen an Services und Anwendungen ausrichten. IT muss funktionieren wie Lego-Steine!“
Foto: Fujitsu
Sehen Sie sich die komplette Keynote von Jörn Nitschmann und Tamy Ribeiro von Activate an.