Die Qualität und Transparenz von Gerichtsurteilen digital verbessern und den ganzen Verfahrensverlauf auf E-Lösungen stützen: Dafür plädiert ein aktuelles EU-Amtsblatt - es könnte den Entscheid zur audiovisuellen Protokollierung von Strafverhandlungen in Deutschland befördern. Und die E-Akte, die 2026 für alle Verfahrensarten sowie Instanzen kommt, dürfte das ihre dazutun. Denn digitale Sitzungsprotokolle wären nur konsequent.
Ein digitaler Schritt, der allen Beteiligten nützt
Gerade in Strafverfahren sollte der Weg zur Wahrheitsfindung möglichst transparent sein. Mit Video-Protokollen gelingt das am besten, da sie neben dem gesprochenen Wort auch Mimik und Gestik der Befragten dokumentieren. Das hilft beim Würdigen von Beweisen sowie Abgleichen von Aussagen und erleichtert Gerichten die Urteilsbildung. Zudem lassen sich die Video-Protokolle auch für Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage bereitstellen. Dann nutzen alle Verfahrensbeteiligten einheitliche Protokolle. Diskussionen, wer wann was ausgesagt hat, entfallen. Und bei Richterwechseln sowie längeren oder länderübergreifenden Verfahren sind Beweisaufnahmen leicht nachvollziehbar. Allesamt Vorteile, die auch Zeit sparen und Kosten senken. Angesichts überlasteter Gerichte und begrenzter Budgets sicher ein Grund, warum die audiovisuelle Protokollierung in der EU schon fast überall Standard ist.
Spanien macht's vor - seit 20 Jahren
Spanien war eines der ersten EU-Länder, die auf Video-Protokolle setzten. Schon 2000 waren Bild- und Ton-Aufzeichnungen für Zivilverfahren vorgesehen, um Vernehmungen und Anhörungen bei Verhandlungen präzise zu dokumentieren, mit dem Ziel die Einhaltung des Prozessablaufes nachvollziehbar zu machen: Wurden etwa alle Prozessteilnehmer belehrt, sind alle Zeugen zur Aussage gekommen usw. Da sich das Video-Protokoll bewährte, auch in puncto Einsparungen, wurde es 2009 für alle Verfahrensarten Pflicht.
Foto: Fujitsu
Das Beispiel Spanien ist deshalb so interessant, weil es drei Dinge zeigt: Die Video-Protokollierung ist langjährig erprobt, auch in Strafverfahren. Eine zuweilen befürchtete Revisionsflut blieb aus. Und auch die hiesige Sorge, Technik könne die Verfahren verzögern, hat sich nicht bestätigt.
Was zählt, ist eine integrierbare Komplettlösung
Dazu muss man wissen: Drei von vier spanischen Gerichten setzen mit Arconte eine TRS-Lösung (Trial-Recording-System) ein, die zum Public-Safety-Portfolio von Fujitsu gehört und weit mehr als Sitzungen, Vernehmungen usw. audiovisuell aufzeichnen kann. Die Lösung - die, übrigens, auch in Deutschland verfügbar ist - ermöglicht auch, Videos effizient zu verwalten, kontrolliert zu verteilen und sicher zu speichern. In Spanien protokolliert Arconte an rund 300 Gerichten in 2.100 Sälen, verwaltet fast 9 Millionen Videos und hat schon über 1,5 Millionen Sitzungsstunden archiviert - revisionssicher sowie beweiswerterhaltend; all das nahtlos eingebunden in bestehende gerichtliche Arbeitsabläufe.
"Wir wollen keine Silos aufbauen", erklärt Timon Schmotz, Strategic IT Consultant Public Safety bei Fujistu Deutschland. "Deshalb integrieren wir Arconte in Systemlandschaften und Fachanwendungen. Ziel ist es, für jede Justiz eine durchgängige Plattform zu schaffen." Nadja Kützing, die Arconte im Bereich Business Development betreut, fügt hinzu: "Videos können künftig direkt in die E-Akte fließen und lassen sich auch mit Daten der Ermittlungsbehörden verknüpfen. Technisch ist vieles möglich, und integrieren lässt sich im Grunde alles." Das Ergebnis: maximale Transparenz, Effizienz und Entlastung.
Einfaches Handling: bei Gericht, im Büro und remote
Über die Arconte-Bedienoberfläche lassen sich Verhandlungen anlegen, Dokumente dazu erstellen sowie Verfahrensbeteiligte hinterlegen - und zwar mit rollenbasierten Rechten. Das ermöglicht, Nutzungsbefugnisse sowie Datenbereitstellungen kontrolliert zu steuern, und bringt Vereinfachung für alle.
Im Sitzungssaal werden Richterinnen und Richter von Arconte persönlich begrüßt, etwa an ihrem Tablet. Dann können sie per Klick ihre Sitzung eröffnen und dann die Aufzeichnung starten, sofern sie dies nicht delegiert haben. Ebenso einfach lässt sich die Aufzeichnung beenden, speichern und, falls gewünscht, gleich noch qualifiziert digital oder sogar biometrisch signieren. Damit ist ein verkündetes Urteil sofort zustellbar und die Integrität sowie Authentizität des Protokolls sind unbestreitbar.
In der Geschäftsstelle kommen berechtigte Mitarbeiter(innen) per Single Sign-on ins Arconte-System, wo sie ihre Verhandlungen, Videos usw. abrufen können. Über das justizeigene Verwaltungsnetz erlaubt Arconte ferner einen Remote-Zugriff, der das zeit- wie ortsunabhängige Arbeiten erleichtert. Daneben lassen sich optional für beteiligte Dritte (Verteidigung, Nebenklage etc.) im Arconte-Portal temporär Video-Kopien bereitstellen - über ein eigens abgesichertes Netz. Dritte haben somit keinerlei Zugriff auf Originaldaten.
Volle Sicherheit dank 2-Schichten-Architektur
Damit alles rundum sicher läuft, setzt Fujitsu auf eine zweischichtige Systemarchitektur, die vom Gerichtssaal bis ins Justiz-Rechenzentrum reicht. Bei Gericht kommt als Aufzeichnungskomponente die handliche "VideoBox" zum Einsatz. Im Rechenzentrum läuft das "Control Center", die zentrale Arconte-Software.
"Die VideoBox enthält ein Verarbeitungsmodul für die Audio-Video-Signale und einen kleinen Server", erläutert Schmotz, der ergänzend betont: "Die Aufnahme darf weder fehlschlagen, noch verloren gehen. Also speichert die VideoBox sie lokal vor und repliziert sie zusätzlich ins Rechenzentrum." Dann übernimmt die Arconte-Software. Sie stellt das Video für Nutzungsberechtigte bereit und bietet effiziente Verwaltungsfunktionen. Zudem sorgt sie neben der Katalogisierung für ein konsolidiertes Video-Archiv.
Auch an Zeugenschutz und Wortprotokolle ist gedacht
Damit nicht genug. Arconte kann auch aufgezeichnete oder simultane Vernehmungen, die andernorts bzw. räumlich getrennt erfolgen, in Gerichtssäle übertragen. Neben der Option, Videos zu verpixeln, unterstützt Arconte so den (Opfer-)Zeuginnen- und -Zeugenschutz im Sinne der Paragraphen 58a, 168e, 247a und 255a StPO.
Foto: Fujitsu
Hinzu kommt die Möglichkeit, audiovisuelle Protokolle mittels KI automatisiert in Wortprotokolle umzuwandeln. Diesen Wunsch hatte die Arbeitsgruppe "Legal Vision" beim 28. EDV-Gerichtstag 2019 geäußert. Übrigens lassen sich mit Arconte auch Video-Konferenzlösungen anbinden, wie sie Zivilgerichte für ihre Verhandlungen bereits nutzen dürfen. Kurzum: Arconte ist in Straf- wie Zivilsachen einsetzbar und bei neuem Bedarf schnell anpassbar. "Dadurch brauchen Justizen nur eine Lösung und haben Investitionssicherheit", so David Iwaniuk, Strategic Account Director Public Safety bei Fujitsu Deutschland.
Was könnte den Nutzen und Mehrwert von Arconte besser veranschaulichen als ein Video. Hier ein Überblick über die wesentlichen Vorteile der Lösung – aus Richtersicht. |
Gute Aussicht für die digitale Zukunft
Während die allgemeine Debatte um Video-Protokolle noch läuft, sitzt Köln schon am E-Gerichtssaal der Zukunft. "Fujitsu unterstützt tatkräftig", verrät Kützing und führt aus: "Wir arbeiten mit dem OLG und der Uni Köln an einem Proof of Concept und können unseren großen Wissensschatz einbringen."
Wie wichtig es ist, gerade Strafverfahren digital weiterzudenken, hat Corona gezeigt: Während Zivilgerichte zunehmend per Video-Konferenz verhandeln konnten (Legal Tribune Online), mussten Strafgerichte Hauptverhandlungen absetzen, aussetzen oder unterbrechen (C.H. Beck). Es scheint nunmehr an der Zeit, den Strafgerichtssaal 4.0 verstärkt voranzutreiben. Video-Protokolle wären ein guter Anfang. Entsprechende politische Vorstöße wurden bereits unternommen. Eine adäquate IT-Lösung gibt es auch. Des Weiteren ist die Justiz für Digitales offener denn je. Die Zeichen stehen also gut.